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C. J. Sansom – Pforte der Verdammnis

In eine düstere Welt begeben wir uns da hinein. Wir schreiben das Jahr 1537. In England regiert Heinrich VIII., der durch seine eigenwillige Regentschaft und seinen Frauenverschleiß auch heute noch Stoff für allerlei wilde Geschichten bietet.

Sein enger Vertrauter, Lordsiegelbewahrer und Generalvikar Thomas Cromwell räumt dem König Stolpersteine aus dem Weg und setzt die englische Reformation mit unbarmherziger Härte durch.

Im Zuge dieser Reformation werden Kommissare in die Klöster des Landes entsandt, um Unregelmäßigkeiten und Sittenverfall aufzudecken und so Druck auf die Äbte auszuüben. Im Idealfall werden dann die Papiere zur Auflösung der Klöster „freiwillig“ unterzeichnet.

 

Da geschieht das Unfassbare: In einem Kloster an der Südküste von England, in Scarnsea, kommt einer von Cromwells Kommissaren unter mysteriösen Umständen ums Leben.

Matthew Shardlake, seines Zeichens Rechtsanwalt in London und eifriger Verfechter der Reformation, wird von Thomas Cromwell an den Ort des Geschehens entsandt, um den Todesfall zu klären und die Arbeit des verblichenen Kommissars fortzusetzen.

In klirrender Kälte macht sich Shardlake mit seinem Gehilfen Mark Poer auf den Weg nach Scarnsea…

 

C. J. Sansom stellt uns in seinem Buch Pforte der Verdammnis zum ersten Mal den Rechtsanwalt Matthew Shardlake vor, einen buckligen Mittdreißiger, der in den Diensten Thomas Cromwells steht und sich im Verlauf des Romans zum Ermittler entwickelt.

Doch Shardlake ist kein Überflieger. Er ist ein Mensch mit Stärken und Schwächen, mit Komplexen und Selbstzweifeln. Eben nicht nur schwarz oder weiß. Das macht ihn menschlich und sympathisch.

 

Sansom versteht es meisterhaft, uns das England im Jahre 1537 lebendig werden zu lassen. Mit seinen Ortsbeschreibungen zeichnet er ein düsteres Bild – eben so, wie wir uns London mit seinen gedrungenen Häusern und schmalen, nach Unrat riechenden Gassen vorstellen.

Das Kloster in Scarnsea erinnert an die Benediktinerabtei aus Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“. Und Sansom spielt trefflich mit diesem Klischee. Auch wenn es in Scarnsea um alles andere als Bücher geht.

 

Über Matthew Shardlake und das England Heinrichs VIII. erfahren wir mehr in:

  • Feuer der Vergeltung (2004)
  • Der Anwalt des Königs (2006)
  • Das Buch des Teufels (2008)
  • Der Pfeil der Rache (2010)

 

Unbedingte Leseempfehlung!

Vicki Baum – Liebe und Tod auf Bali

Sicher von ihrem Aufenthalt in Bali 1935 inspiriert, veröffentlicht Vicki Baum 1937 ihren Roman Liebe und Tod auf Bali, dessen Titel ein wenig in die Irre führt.

Wer hier eine Liebesschnulze erwartet, geht fehl.

Stattdessen wird der Leser recht unaufdringlich mit auf eine Zeitreise genommen, in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts ans andere Ende der Welt, nach Bali.
Hier leben die Menschen in ihrer althergebrachten Weise, verbunden mit den Göttern und der Natur. Kinder werden geboren, Menschen sterben und dies erregt weit weniger Aufsehen als der nächste Hahnenkampf, der nächste Tanz oder der Bau eines neuen Tempels.

Wer weise ist im Herzen,
der trauert nicht um die Lebendigen
noch um die Toten.
Alles, was lebt, lebt ewig.
Nur das Gehäuse, das Zerbrechliche, vergeht.
Der Geist ist ohne Ende, ewig ohne Tod.

Aus der Bhagavad-Gita

 
Deshalb haben die Menschen auf Bali Zeit. Sie haben nur selten Eile und im Angesicht der Ewigkeit ist nicht viel der Erinnerung wert.
So ist die Strandung des chinesischen Schiffes „Sri Kumala“ zwar ein unerhörtes Ereignis, wird aber von den Balinesen schnell wieder vergessen. Dass ausgerechnet dieses Schiff Anlass für gravierende Umwälzungen auf der kleinen Insel werden soll, scheint völlig ausgeschlossen.
Unaufhaltsam, wenn auch von den meisten Bewohnern der beschriebenen Orte unbemerkt, nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Doch bis dahin ist noch Zeit.
Zeit, die reichhaltige Kultur der Balinesen in ihren täglichen Verrichtungen kennen zu lernen, ihre religiösen Zeremonien mitzuerleben und ihre Lebensweise verstehen zu lernen.
Zeit, die Schönheit der Landschaft Balis auf uns wirken zu lassen.

Es ist noch Zeit, bis die holländischen Kolonialherren ein Schiff entsenden, um auch Bali ihrem Reich einzuverleiben…

Unbedingte Leseempfehlung!

Mika Waltari – Sinuhe der Ägypter

Sinuhe, ein Findelkind, wächst zur Zeit Amenophis III. (1403 – 1351 v.Chr.) bei einem Armenarzt und dessen Frau in Theben auf. Den Kinderschuhen entwachsen, lässt er sich nach dem Vorbild des Ziehvaters ebenfalls zum Arzt ausbilden und darf wenig später dem königlichen Schädelöffner kurz vor dem Tod Amenophis III. assistieren. Hier begegnet er zum ersten Mal dem Thronfolger.

Nach Amenophis‘ Tod besteigt Echnaton den Thron und bricht mit alten Traditionen, indem er dem schon von seinem Vater bevorzugten Gott Aton – der Sonnenscheibe – als Lenker aller Geschicke huldigt und alle alten Götter, insbesondere Amun, verbietet.

Sinuhe findet sich in den Wirrnissen dieser Zeit wieder, lernt gemeinsam mit seinem Diener Kaptah fremde Länder kennen und erwirbt so auch fremdländisches medizinisches Wissen.

In späteren Lebensjahren schreibt Sinuhe in der Verbannung die Geschichte seines Lebens auf.

Wenn Mika Waltari in seinem Roman, der 1945 veröffentlicht wurde, auch Kenntnisse verwendet, die uns heute überholt scheinen, zeichnet er doch ein sehr lebhaftes Bild vom Ägypten zur Zeit Echnatons (Regierungszeit 1351 – 1334 v.Chr.).

Wenn populärwissenschaftliche Veröffentlichungen über diese Epoche das Hauptaugenmerk auf den Kampf Echnatons um seinen monotheistischen Glauben, seine Baukunst und die Veränderungen in den darstellenden Künsten legen, so schildert Waltari eindrucksvoll die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das einfache Volk.

In seiner Verknüpfung von historischem Wissen und Fiktion unternimmt er glaubwürdige Erklärungsversuche, um das Leben im antiken Ägypten vor unserem geistigen Auge auferstehen zu lassen.

Ich schätze diesen Roman sehr, weil er in unaufdringlicher und unterhaltsamer Weise die mögliche Lebensart in einer Zeit zeichnet, die uns auch heute noch ungezählte Rätsel aufgibt.

Unbedingte Leseempfehlung!